Schon seit Jahren feiern wir die Feste gemeinsam mit unseren Freunden und Nachbarn.
Vor 10 Jahren hatten wir in unserem Gebäude 17 NachbarInnen, von denen 15 StudentInnen waren. Ich habe die StudentInnen jedes Jahr zu uns zum Weihnachtsessen eingeladen, obwohl wir zu Hause kein Weihnachten gefeiert haben- und das wussten sie auch! Den Esstisch habe ich weihnachtlich dekoriert, die Geschenke entsprechend verpackt. Für eine Studentin, die sich vegan ernährt hat, habe ich vegan gekocht. Alle anderen haben Kebap gegessen.
“So ein Weihnachtsessen habe ich noch nie erlebt” sagte eine Studentin (19 J.) zu uns.
Meine Beiträge wurden in den Sozialen Medien heftig kritisiert, vor allem in der muslimischen Community. Viele fragten: “Warum machst du so was? Sie gratulieren uns auch nicht zu unseren Festen”
Erstens, gibt es für mich kein “sie” und “wir”
Wer sind “sie”?
Wer sind “wir”?
Für mich gibt es nur “unsere Gesellschaft”
Ich versuche mich von Menschen fernzuhalten, die mich als “Ausländerin”, “Türkin”, “türkische Frau” bezeichnen und versuche in meiner Gesellschaft als Frau, Mutter, Pädagogin, Bloggerin teilzuhaben.
Ich bin im Kindergarten oder in der Schule nur eine Mutter, keine “türkische Mutter”
Ich bin eine Nachbarin in unserer Straße, keine “türkische Nachbarin”
Ich bin eine Pädagogin in unserem Bildungsträger, keine “türkische Mitarbeiterin”
Zweitens.
Ja, die Kritiker hatten Recht.
Vor Jahren habe ich an muslimischen Festen nur von 4-5 (nichtmuslimischen) Freunden Nachrichten bekommen.
Aber dieses Jahr waren es 30 Nachrichten.
Ich lege großen Wert auf menschlichen Beziehungen und konzentriere mich auf das Gute. Ich schätze jeden Moment und jede Begegnung, die ich mit den Menschen teile, die mir am Herzen liegen. Diejenigen, die mich persönlich kennen, wissen ganz genau, warum ich so viele Partys organisiere.
Warum habe ich die StudentInnen zum Weihnachtsessen eingeladen?
Als ich Studentin war habe ich oft Hilfe gebraucht. Manchmal einen Fahrer, der mit mir Einkaufen geht, manchmal einen netten Nachbar, der seinen Mixer ausleihen kann. Vielleicht haben meine NachbarInnen auch Hilfe gebraucht und sie konnten es mir nicht sagen. Bevor ich meine Hilfe angeboten habe, wollte ich, dass wir uns näher kennenlernen.
Die Studenten hatten kein Wohnzimmer.
Unser Wohnzimmer war wie ein Aufenthaltsraum im Gebäude.
Mal haben wir uns zum Fastenbrechen getroffen, mal zum Weihnachtsessen, mal einfach so zum Tee trinken.
Wir waren wie eine Familie.
Manchmal bekam ich Nachrichten wie diese:
“Ich vermisse meine Mutter, darf ich kurz zu dir kommen”
“Ich habe mich von meinem Freund getrennt. Mir gehts nicht gut. Können wir kurz reden?”
“Wir bekommen heute Abend Besuch. Kannst du uns bitte dein Geschirrset ausleihen?”
“Können wir deinen Stabmixer haben?”
Nach drei tollen Jahren sind wir umgezogen.